Unternehmens­verantwortungs­initiative

Am 29. November 2020 wurde die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» abgelehnt. Der Bundesrat wird somit in den nächsten Tagen den indirekten Gegenvorschlag (Änderung des Obligationenrechts vom 19. Juni 2020) im Schweizerischen Bundesblatt publizieren. Wird das fakultative Referendum nicht ergriffen (wovon auszugehen ist), werden die neuen Transparenz- und Sorgfaltsplichten in Kraft gesetzt, sobald die entsprechende Verordnung finalisiert ist. Die Inkraftsetzung dürfte im Jahre 2022 erfolgen. In diesem Fall sind die Berichterstattung- und Sorgfaltspflichten erstmals im Geschäftsjahr, das ein Jahr nach Inkrafttreten des Gegenvorschlags beginnt, zu beachten. Für Geschäftsjahre, die dem Kalenderjahr entsprechen, wäre dies also voraussichtlich das Geschäftsjahr 2023.

Die Regelungen des indirekten Gegenvorschlags sollen ins Obligationenrecht integriert werden (Art. 964bis ff.).  Die Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange richtet sich an Gesellschaften des öffentlichen Interesses, d.h. Publikumsgesellschaften und beaufsichtigte Unternehmen des Finanzsektors, die zusammen mit den von ihnen kontrollierten in- oder ausländischen Unternehmen folgende Schwellenwerte übersteigen: (i) im Jahresdurchschnitt mindestens 500 Vollzeitstellen haben und (ii) entweder eine Bilanzsumme von CHF 20 Millionen oder einen Umsatzerlös von CHF 40 Millionen überschreiten. Diese müssen jährlich über Umweltbelange, insbesondere die CO2-Ziele, über Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption, berichten. Ein berichterstattungspflichtiges Unternehmen kann auf die Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange verzichten, wenn dessen Gruppe kein entsprechendes Konzept hat. Diesfalls muss das Unternehmen stattdessen eine klare und begründete Erklärung für den diesbezüglichen Verzicht enthalten (comply or explain).

Unternehmen mit Sitz oder Hauptniederlassung in der Schweiz, die Zinn, Wolfram oder Gold enthaltene Mineralien oder Metalle, aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten importieren oder bearbeiten, unterliegen in Bezug auf ihre Lieferkette besonderen Sorgfaltspflichten und müssen jährlich Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten erstatten. Dieselben Pflichten gelten für Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden.

Die Nichteinhaltung der neuen Transparenzpflichten ist strafbar. Eine falsche oder unterlassene Berichterstattung kann mit einer Busse von bis zu CHF 100’000 geahndet werden.

Ungeachtet der Berichtspflichten gemäss indirektem Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative werden die im revidierten Aktienrecht vom 19. Juni 2020 neu eingeführten Transparenzvorschriften für Unternehmungen, die im Bereich der Gewinnung von Mineralien, Erdöl oder Erdgas oder des Einschlags von Holz in Primärwäldern tätig sind und einer ordentlichen Revision nach Art. 727 Abs. 1 OR unterstehen, sowie die Regeln über die Vertretung von Frauen und Männern in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von börsenkotierten Unternehmen bereits am 1. Januar 2021 in Kraft treten, also ein Jahr früher als die übrigen Vorschriften des revidierten Aktienrechtsrechts. Gemäss der geltenden Übergangsbestimmung sind die Berichte erstmals für das Geschäftsjahr zu veröffentlichen, das ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Regelung beginnt, d.h. für die Geschäftsjahre ab dem 1. Januar 2022.